Arachidonsäure: der aktuelle Stand der Wissenschaft

von nutrilini Team

Funktion und Bedeutung

Die Arachidonsäure (ARA) ist eine langkettige Omega-6-Fettsäure, die in der Vergangenheit hauptsächlich als entzündungsfördernde Substanz bekannt war. Sie nimmt jedoch viele wichtige Funktionen im Körper ein. ARA ist ein bedeutender Bestandteil von Zellmembranen und ist besonders wichtig für die ordnungsgemäße Funktion des Gehirns, der Muskeln und des Immunsystems. ARA ist zwar an Entzündungsprozessen beteiligt, führt aber auch zur Bildung von Substanzen, die bei der Behebung von Entzündungen und bei der Wundheilung helfen. Bei Säuglingen nimmt Arachidonsäure insbesondere bei der Entwicklung des Nervensystems und der Netzhaut eine bedeutende Rolle ein (Tallima und El Rid 2018). 

Eigensynthese und Vorkommen in der Nahrung

Unter den typischerweise verzehrten Nahrungsmitteln liefern nur tierische Lebensmittel ARA (Souci et al., 2011). Lediglich einige besondere pflanzliche Lebensmittel, die nicht üblicherweise verzehrt werden, bspw. spezielle Algen und Pilze enthalten auch ARA (Shanab et al., 2018).  ARA kann aus Linolsäure, die bspw. in pflanzlichen Ölen reichlich vorkommt, vom Körper selbst hergestellt werden (Tallima & El Rid, 2018). Es hat sich jedoch gezeigt, dass diese körpereigene Herstellung vermutlich nicht ausreichend ist, um den Bedarf zu decken (Forsyth et al. 2016). Auch genetische Unterschiede zwischen Populationen spielen dabei wahrscheinlich eine Rolle. Menschen mit europäischer Abstammung haben vermutlich eine geringere Fähigkeit zur eigenen Herstellung, als bspw. Menschen mit afrikanischer oder südasiatischer Abstammung (Mathias et al., 2014; Kothapalli et al., 2016).

Ernährung und ARA: Besondere Bedeutung bei vegetarischer und veganer Lebensweise

Diese Erkenntnisse könnten besonders für vegan lebende Menschen von Relevanz sein, für die bisher Linolsäure aus pflanzlichen Fetten als ausreichende Quelle galt. Bei einer vegetarischen Ernährung stellen Eier eine gute Quelle dar (Tallima & El Rid, 2018). Eier liefern 70 mg Arachidonsäure pro 100 g, das ergibt rund 40 mg pro Ei (60 g) (Souci et al., 2011). Vereinzelte Untersuchungen geben Hinweise darauf, dass die Menge an ARA im Plasma und Serum bei vegan oder vegetarisch lebenden Menschen, niedriger sein könnte, als bei einer mischköstlichen Ernährung (Phinney et al., 1990, Crozier et al., 2019, Chamorro et al. 2020). Teilweise zeigt sich aber auch kein statistischer Unterschied bei vegetarischer Ernährung (Krajcovicová-Kudlácková et al.; 1995). Eine indische Studie zeigt keinen Unterschied bei Schwangeren, die sich vegetarisch ernähren, gleichzeitig zeigen sie jedoch genetische Merkmale, die eine gute eigene Herstellung von ARA fördern (Joshi et al. 2019). Eine ältere Studie zeigt für eine Gruppe von roh vegan leben Menschen für Parameter im Serum ebenfalls keinen Unterschied, ein Marker für den Gehalt in den roten Blutkörperchen zeigt für diese Gruppe jedoch einen höheren Gehalt, in den Blutplättchen ist er etwas geringer (Agren et al.; 1995). 

ARA im Säuglingsalter

Säuglinge haben eine noch geringere Fähigkeit, ARA selbst herzustellen (Forsyth et al.; 2017). Muttermilch enthält ARA in Mengen, die in der Regel sogar höher sind als die der Omega-3-Fettsäure DHA. Der ARA-Gehalt variiert jedoch weniger stark (Carlson & Colombo; 2016). Die Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin empfiehlt deshalb, falls nicht gestillt wird, eine Säuglingsmilch zu verwenden, die neben DHA auch mindestens die gleiche Menge an ARA enthält (Bührer; 2020). Der Gehalt an ARA in der Beikost ist typischerweise gering, deshalb ist eine gute Versorgung über die Muttermilch oder über Säuglingsmilch auch in dieser Phase besonders wichtig (Carlson & Colombo, 2016). In der Stillzeit ist eine gute ARA-Zufuhr der Mutter damit auch relevant. Zwar hat die ARA-Zufuhr der Mutter einen geringeren Einfluss auf den ARA-Gehalt der Milch als bei DHA, sie kann den Gehalt in der Milch aber dennoch optimieren (Salem, 2020). Außerdem muss die Versorgung der Mutter sichergestellt werden, die einen Teil ihrer ARA für ihr Kind bereitstellt. Auch in der Schwangerschaft ist eine gute ARA-Versorgung besonders wichtig. Aufgrund des erhöhten Bedarfs bei einer gleichzeitig nicht ausreichenden körpereigenen Herstellung kann in dieser Phase ein Supplement sinnvoll sein (Le et al., 2009). 

Verhältnis von ARA und DHA

Es scheint zudem wichtig zu sein, auch ein ausgeglichenes Verhältnis von ARA zur Omega-3 Fettsäure DHA zu beachten, da zu viel DHA die Vorteile von ARA unterdrücken kann (Hadley et al., 2016). Eine Studie beobachtet, dass sich bei einer 12-wöchigen Einnahme eines hochdosierten DHA-Supplements von rund 1000 mg pro Tag die ARA-Menge in den roten Blutkörperchen und im Plasma verringert (Schuchardt et al., 2016). Dieser Effekt lässt sich vermutlich dadurch erklären, dass beide Fettsäuren sich dieselben Enzymsysteme teilen und eine alleinige, hohe Dosis an DHA die Umwandlung von Linolsäure zu ARA über diese Enzyme damit verringert. Außerdem verdrängt die hohe DHA-Menge vermutlich ARA aus den roten Blutkörperchen (Schuchardt et al., 2016). Für eine optimale kognitive Leistung ist ein ausgewogenes Verhältnis von DHA und ARA bedeutend. Besonders in der Schwangerschaft ist es wichtig, auf ein gutes Verhältnis von ARA zu DHA zu achten, um eine optimale neurologische Entwicklung nach der Geburt zu gewährleisten (Hadley et al., 2016). Bei Säuglingen sollte das Verhältnis bei 2 zu 1 liegen (Salem, 2020).  Für Erwachsene gibt es hier keine eindeutigen Daten, ein Verhältnis im Bereich von 1 zu 1 könnte jedoch ein ungefährer Richtwert sein.

Zufuhrempfehlungen von ARA

Es gibt keine eindeutigen Empfehlungen für die tägliche Zufuhr von Arachidonsäure (Forsyth et al., 2017). Angelehnt an den durchschnittlichen Arachidonsäure-Gehalt in 800 ml Muttermilch, geht die European Food Safety Authority (EFSA) für Säuglinge bis 6 Monaten von einer adäquaten Zufuhr von 140 mg pro Tag aus. Je nach Gehalt in der Milch nehmen Säuglinge bei dieser Menge zwischen 91 und 295 mg auf (EFSA 2013). Für das Alter zwischen 6 und 12 Monaten gibt es derzeit keine konkreten Empfehlungen (Sioen et al., 2017). Es hat sich jedoch gezeigt, dass die Arachidonsäurezufuhr bei Säuglingen im Verhältnis von 2 zu 1 zur DHA-Zufuhr liegen sollte (Salem, 2020). Die EFSA empfiehlt für Kinder im Alter zwischen 7 und 24 Monaten eine DHA-Zufuhr von 100 mg  (EFSA, 2012). Daraus würde sich eine ARA-Zufuhr von 200 mg ergeben. Für Kinder und Jugendliche im Alter von 1-18 Jahren, spricht der Superior Health Council of Belgium eine empfohlene tägliche Zufuhrempfehlung von 0.1–0.3 % der täglichen Energie aus (Sioen et al., 2017). Für ein Kind im Alter von 1-4 Jahren mit einem ungefähren Kalorienbedarf von 1200 kcal (Deutsche Gesellschaft für Ernährung e.V. (DGE), 2015), ergibt sich dadurch eine Menge von ca. 130 – 400 mg ARA pro Tag. In der erwachsenen, mischköstlichen  Bevölkerung liegt die durchschnittliche  Zufuhr bei ungefähr 50 – 300 mg pro Tag (Forsyth et al., 2016). 

Supplementation von ARA 

Der Ernährungswissenschaftler Niko Rittenau empfiehlt angesichts der aktuellen Erkenntnisse, dass bei fehlender ausreichender ARA-Zufuhr über die Nahrung, wie bei veganen oder vegetarischen Ernährungsweisen mit einem geringen Verzehr von Eiern der Fall, besonders in kritischen Lebensphasen die Versorgung über Supplemente sichergestellt werden sollte. Das gilt unter anderem für Schwangerschaft und Stillzeit. Bei Säuglingen, die Säuglingsmilchnahrung bekommen, empfiehlt er, entweder ein Produkt zu verwenden, dem ARA zugesetzt wurde, oder ebenfalls ein ARA-Supplement zu verwenden.  Für alle weiteren Lebensphasen weist er auf die individuellen Unterschiede in der körpereigenen ARA-Herstellung hin, welche ein Supplement für manche Menschen auch bei veganer Ernährung nicht unbedingt notwendig machen, er spricht sich aber dafür aus, auf Nummer sicher zu gehen und ARA zu supplementieren (Niko Rittenau, 2023). Dr. Markus Keller empfiehlt aktuell kein Arachidonsäure-Supplement (Yammibean, 2023).

Quellen

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Bührer, C. (2020). Sollen Säuglingsnahrungen sowohl Docosahexaensäure als auch Arachidonsäure enthalten? Stellungnahme der Ernährungskommission der Deutsche nGesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin (DGKJ e.V.). https://www.dgkj.de/fileadmin/user_upload/Stellungnahmen/202003_DGKJ_Ern%C3%A4hrungskomm_DHA_ARA_S%C3%A4uglingsnahrungen_Monatsschr_Kinder_2020.pdf

Calder, P. C., Campoy, C., Eilander, A., Fleith, M., Forsyth, S., Larsson, P. O., Schelkle, B., Lohner, S., Szommer, A., van de Heijning, B. J. M., & Mensink, R. P. (2019). A systematic review of the effects of increasing arachidonic acid intake on PUFA status, metabolism and health-related outcomes in humans. The British journal of nutrition, 121(11), 1201–1214. https://doi.org/10.1017/S0007114519000692

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