Den Nährstoffbedarf ohne Fleisch decken – ist das möglich?

von nutrilini Team

Die Antwort ist ja. Manchmal heißt es, man könne sich ganz einfach vegetarisch ernähren, indem man Fleisch und Fisch aus der Ernährung weglässt. Ganz so einfach möchten wir es nicht empfehlen. Besonders nicht in der Schwangerschaft, Stillzeit oder Kindheit, wenn der Nährstoffbedarf erhöht ist. Um sich ohne Fleisch ausgewogen und bedarfsdeckend zu ernähren, sollten einige Besonderheiten eingeplant und berücksichtigt werden. Wenn man das aber weiß, spricht nichts dagegen, Fleisch vom Speiseplan zu streichen. 

Zunächst einmal sollte man sich überlegen, für welche Nährstoffe Fleisch eine gute Quelle ist. Dazu zählen Eiweiß, Eisen, Zink und Vitamin B12 (DGE-Ernährungskreis 2019). In welchen pflanzlichen Lebensmitteln sind diese Nährstoffe ebenfalls enthalten?

Eiweiß

Kleinkinder haben aufgrund der Aufbauprozesse einen verhältnismäßig höheren Eiweißbedarf als Erwachsene. Es ist in dieser Lebensphase deshalb besonders wichtig,  auf eine gute Eiweißversorgung zu achten. Gleiches gilt auch für schwangere oder stillende Frauen. 

Wenn wir von Eiweißbedarf sprechen, meinen wir den Bedarf an Aminosäuren. Das sind die Bausteine der Eiweiße. Das Verhältnis der unterschiedlichen Aminosäuren in einem Produkt ergibt das sogenannte Aminosäuremuster. Es ist richtig, dass tierische Lebensmittel oft ein besseres Aminosäuremuster aufweisen. Es kommt dem menschlichen Bedarf an unentbehrlichen Aminosäuren näher als dem aus pflanzlichen Lebensmitteln (Ausnahme: Sojaeiweiß). Man spricht in diesem Fall von einer höheren biologischen Wertigkeit

Bei einer vegetarischen oder veganen Kinderernährung ist es deshalb wichtig, verschiedene Eiweißquellen miteinander zu kombinieren. Das ist wie ein Puzzle. Während Hülsenfrüchte manche Aminosäuren in höheren Mengen enthalten als Vollkorngetreide, enthält Vollkorngetreide wiederum andere Aminosäuren in höheren Mengen. In Kombination ergänzen sie sich zu einem idealen Eiweiß. Es weist sogar eine höhere biologische Wertigkeit auf als das Aminosäuremuster aus Fleisch. Eine sehr gute Kombination sind beispielsweise Vollkornnudeln (Getreide) und Linsen (Hülsenfrüchte). Im Alltag lässt sich das beispielsweise in einer Linsenbolognese mit Vollkornnudeln unkompliziert umsetzen. Die Kombination muss nicht zwangsläufig in einer Mahlzeit passieren, sondern die Lebensmittel können über den Tag hinweg verzehrt werden. Gute pflanzliche Eiweißquellen sind Hülsenfrüchte, Vollkornprodukte, Nüsse und Ölsaaten. Eier haben das beste Aminosäureprofil. 

Da das pflanzliche Nahrungseiweiß nicht immer ideal in Körpereiweiß umgewandelt werden kann, kann es sinnvoll sein, im Rahmen einer veganen Ernährung eine etwas höhere Eiweißzufuhr anzustreben. Bei vegetarisch ernährten Kindern sollte eine zu hohe Zufuhr von Eiweiß aus Milch- und Milchprodukten bis zum 2. Lebensjahr jedoch vermieden werden. Es gibt Studien, die auf ein erhöhtes Risiko für ein höheres Körpergewicht und einen gesteigerten Körperfettanteil im späteren Leben  hindeuten (Keller & Gätjen 2020).

Linsen-Bolognese mit roten Linsen, Karotten, Tomaten und Vollkornnudeln
Linsenbolognese mit Vollkornnudeln für die ganze Familie

Eisen

Fleisch ist weiterhin eine gute Quelle für Eisen und Zink. Für beide Nährstoffe gibt es auch pflanzliche Quellen, wobei die Lebensmittel für beide Nährstoffe oft dieselben sind. 

Das Eisen, das im Fleisch vorkommt, wird als Häm-Eisen bezeichnet. Es wird vom menschlichen Körper deutlich besser aufgenommen als das Nicht-Häm-Eisen, das in den pflanzlichen Produkten vorkommt. Es gibt eine praktische Möglichkeit, die Aufnahme von Nicht-Häm-Eisen aus pflanzlichen Lebensmitteln zu steigern: Vitamin C. Die gleichzeitige Aufnahme von Vitamin C mit eisenreichen pflanzlichen Lebensmitteln wie Hülsenfrüchten, Vollkorngetreide, Trockenobst, Nüssen und Ölsaaten führt dazu, dass das Eisen seine Struktur ändert. So kann es vom Körper besser aufgenommen werden.  Lebensmittel, die viel Vitamin C enthalten, sind beispielsweise Obst und Gemüse wie Paprika, Himbeeren, Petersilie oder Zitrusfrüchte. Da Vitamin C durch Hitze zerstört wird, bietet es sich an, diese Lebensmittel möglichst nicht lange erhitzt zu nutzen. Beispielsweise kann man etwas aufgeschnittene Paprika als Beilage reichen, frisch gepressten Zitronensaft mit Wasser verdünnt zur Mahlzeit trinken oder frische Petersilie nach dem Kochvorgang unterrühren. Mehr Infos zur Verbesserung der Eisenaufnahme aus pflanzlichen Lebensmitteln hier.

Zink

Wie bereits erwähnt, enthalten Hülsenfrüchte, Vollkornprodukte, Nüsse, Ölsamen aber auch Beeren viel pflanzliches Zink. Bei einer Ernährungsweise ohne Fleisch, ist der regelmäßige Verzehr dieser Lebensmittel daher wichtig. Die Zinkaufnahme kann ebenfalls durch die Aufnahme von organischen Säuren (z. B. Zitronensäure) gesteigert werden. Auch eine geeignete Verarbeitung hat einen Einfluss auf die Nährstoffaufnahme. Es ist sinnvoll die Lebensmittel vor der Zubereitung einzuweichen, zu keimen und zu garen. Ganz besonders bei den Hülsenfrüchten. Die hemmende Wirkung der enthaltenen Phytinsäure wird dadurch verringert, sodass der Körper deutlich mehr Nährstoffe aus dem Lebensmittel aufnehmen kann. Diese Methode steigert auch die Nährstoffaufnahme von Eisen aus pflanzlichen Lebensmitteln. (Keller & Gätjen 2020)

Vitamin B12

Vitamin B12 ist ein kritischer Nährstoff bei einer veganen Ernährungsweise. In pflanzlichen Lebensmitteln kommt er so gut wie gar nicht vor. Durch Eier sowie Milch und Milchprodukte kann der Bedarf grundsätzlich gedeckt werden. Es weisen allerdings Studien darauf hin, dass auch Kinder mit einer vegetarischen Ernährung teilweise nicht gut versorgt sind (Erna-Graff-Stiftung 2018, DGE 2020). Ein Mangel an Vitamin B12 bringt Störungen der Zellteilung und Blutbildung sowie irreversible Schäden am zentralen Nervensystem mit sich. Bei Kindern kann das zu massiven Entwicklungsstörungen führen (Keller & Gätjen 2020, Leitzmann & Keller 2020). Bei einer vollständig veganen Ernährung muss Vitamin B12 deshalb unbedingt supplementiert werden. Bei einer vegetarischen Ernährungsweise kann ein Supplement dann sinnvoll sein, wenn weitere tierische Lebensmittel wie Eier und Milch in reduzierter Menge verzehrt werden. Für die Dosierung der Supplemente gibt es keine einheitliche Empfehlung. Weitere Infos dazu hier.

Fazit

Die Nährstoffe aus dem Fleisch können also auch durch tierische oder pflanzliche Alternativen aufgenommen werden. Es erfordert allerdings, dass man entweder regelmäßig Eier und Milchprodukte verzehrt oder nährstoffreiche pflanzliche Lebensmittel wie Vollkornprodukte, Hülsenfrüchte, Nüsse oder Ölsaaten regelmäßig verwendet. Im Falle von Vitamin B12 muss man berücksichtigen, dass eine Supplementation notwendig sein kann. 

Die Ernährungsweise ohne Fleisch hat auch gesundheitliche Vorteile. Nährstoffe wie Cholesterin, gesättigte Fettsäuren und hohe Salzgehalte (besonders in Wurstwaren) werden in deutlich niedrigeren Mengen verzehrt, was sich als gesundheitsförderlich herausgestellt hat (DGE-Ernährungskreis 2019, DGE 2022).  Gleichzeitig liefern pflanzliche Lebensmittel auch weitere positive Nährstoffe wie Magnesium, Ballaststoffe, ungesättigte Fettsäuren, Vitamin C und Folat (Keller & Gätjen 2020).

Quellen

Deutsche Gesellschaft für Ernährung e.V. (2022). Ausgewählte Fragen und Antworten zu Speisesalz. https://www.dge.de/wissenschaft/faqs/salz/

Deutsche Gesellschaft für Ernährung e.V. (2022). Vegan, vegetarisch, Mischkost: nur geringe Unterschiede in der Nährstoffversorgung bei Kindern und Jugendlichen. Ergebnisse der VeCh-Youth-Studie im 14. DGE-Ernährungsbericht. https://www.dge.de/presse/pm/vegan-vegetarisch-mischkost-nur-geringe-unterschiede-in-der-naehrstoffversorgung-bei-kindern-und-jugendlichen/

DGE-Ernährungskreis (2019). Fleisch, Wurst, Fisch und Eier. https://www.dge-ernaehrungskreis.de/lebensmittelgruppen/fleisch-wurst-fisch-und-eier/

Erna-Graff-Stiftung (2018). Vegetarische und vegane Kinderernährung – Erna-Graff-Stiftung. https://www.erna-graff-stiftung.de/vegetarische-und-vegane-kinderernaehrung/

Keller, M., & Gätjen, E. (2021). Vegane Ernährung: Schwangerschaft, Stillzeit und Beikost : Mutter und Kind gut versorgt : mit 100 Rezepten (2. Aufl.). Ulmer.

Leitzmann, C. & Keller, M. (2020). Vegetarische und vegane Ernährung (4. Aufl.). Ulmer.

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